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Betriebsrätemodernisierungsgesetz – eine vertane Chance

Rechtsanwalt Martin Bechert

Verfasst von Rechtsanwalt Martin Bechert

So alle 20 Jahre fassen die Politiker das Betriebsverfassungsrecht an und bessern nach. Am 21.05.2021 war es wieder so weit. Der Bundestag beschloss das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Ein mutloses Reförmchen, das weder der Gründung vom Betriebsrat so richtig was nützt, noch für dessen Arbeit viel bringt. Es ist eine einzige Enttäuschung. Es bleibt zu hoffen, dass die nächste Bundesregierung mehr Einsatz für den Betriebsrat zeigen will und nicht wieder 20 Jahre vergehen müssen, bis die dringend notwendigen Vereinfachungen bei der Betriebsratsgründung ins BetrVG aufgenommen werden.

Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD schwärmt. Für ihn ist das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt – kurz das Betriebsrätemodernisierungsgesetz – wohl ein ganz großer Wurf. Auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales heißt es zu dem entsprechenden Gesetzentwurf, dass die Bundesregierung damit wichtige Punkte des Koalitionsvertrages im Bereich Arbeitsrecht sowie der Strategie künstliche Intelligenz der Bundesregierung umsetzen würde. Der Gesetzesentwurf würde die Betriebsratsgründung erleichtern, und den Schutz der hieran beteiligten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärken. Außerdem würde das Mitbestimmungsrecht bei künstlicher Intelligenz und der Ausgestaltung mobiler Arbeit in den Betrieben gestärkt, und die Arbeit vom Betriebsrat erleichtert werden.

Ziemlich viel heiße Luft

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das Betriebsrätemodernisierungsgesetz jedoch als ziemlich viel heiße Luft. In dem Gesetzgebungsverfahren wurde denn auch aus dem Betriebsrätestärkungsgesetz ganz kleinlaut das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte bei der mobilen Arbeit und der künstlichen Intelligenz sind mehr oder weniger kosmetisch, weil dieser Bereich bereits jetzt im Wesentlichen bereits durch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 6, und 7 BetrVG erfasst ist. Mir kommt das wie eine Grußadresse an die IG Metall vor.

Soweit hier der§ 80 Abs. 3 BetrVG im Hinblick auf die Sachverständigen geändert wird, dürfte auch dies in der Praxis überhaupt keinen Unterschied machen. Die Änderung im Hinblick auf die bei der Beschlussfassung von Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat für Sitzungen, die als Video bzw. Telefonkonferenzen abgehalten werden, im entspricht mittlerweile dem gängigen Standard. Die Änderungen, die die Einigungsstelle betreffen, dürften dem einem stellen Einigungsstellenvorsitzenden, der zumeist Richter am Arbeitsgericht sein dürften, erleichtern. So können die Richter zukünftig über die Gerichtsinfrastruktur Anwälten die Entscheidungen der Einigungstelle rechtswirksam zustellen. Wesentliche Vorteile für die Betriebsparteien sind nicht erkennbar.

Minimale Ausweitung der Mitbestimmung

Geradezu ärgerlich ist aber die bescheidene Änderung der Kündigungsschutzvorschriften im Zusammenhang mit der Betriebsratsgründung.
Hierzu zunächst ein kleiner Problemaufriss: Eine Betriebsratswahl setzt zwingend voraus, dass es zunächst einen Wahlvorstand gibt. Soweit im Betrieb kein Betriebsrat besteht, ist dieser in einer Betriebsversammlung zu bestellen. Zu einer solchen Betriebsversammlung können unter anderem auch drei Arbeitnehmer einladen. Es versteht sich von selbst, dass die Arbeitsverhältnisse dieser Initiatoren im Zusammenhang mit der Einladung stark gefährdet sind.

Initiatoren weiter ungeschützt vor außerordentlicher Kündigung

Nach derzeitigem Recht werden drei Initiatoren ab dem Aushang der Einladung im Betrieb vor dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung geschützt. Dieser Schutz greift zu kurz. Zunächst einmal in zeitlicher Hinsicht, weil sich die drei Arbeitnehmer ja zunächst zusammenfinden müssen. Wenn in dieser Phase der Arbeitgeber Wind von der Sache bekommt, besteht für die einzelnen Arbeitnehmer kein besonderer Kündigungsschutz. Sie können dann sowohl ordentlich als auch außerordentlich gekündigt werden.

Der Kündigungsschutz ist aber auch in seinem Umfang unzureichend. Das wesentliche Problem der Initiatoren einer Betriebsratswahl ist seit jeher die außerordentliche Kündigung. Vor dieser sind sie nämlich auch nach Aushang der Einladung nicht geschützt. Regelmäßig werden von Arbeitgebern aber gerade in diesem Zusammenhang fristlose außerordentliche Kündigungen ausgesprochen. Andernfalls müsste nämlich die Kündigungsfrist eingehalten werden, mit der Folge, dass in dieser Zeit die einladenden Arbeitnehmer ihre Veranstaltung danach (?) durchführen könnten. Es könnte dann also – trotz Kündigung – noch ein Wahlvorstand bestellt werden.

Kündigungsschützchen vor Aushang der Einladung

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird nunmehr eingeführt, dass Arbeitnehmer beim Notar eine Erklärung abgeben können, dass sie versuchen einen Betriebsrat zu gründen. Sodann sind sie bis zu der Betriebsversammlung, in der der Wahlvorstand bestellt wird, maximal aber drei Monate lang, vor einer ordentlichen Kündigungen geschützt, soweit keine betriebsbedingten Gründe vorliegen.

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird sich meiner Meinung nach praktisch überhaupt nichts ändern. Ich halte es schon für fraglich, ob es tatsächlich Arbeitnehmer gibt, die zunächst zum Notar rennen, um dann einen Betriebsrat zu gründen. Der wesentliche Punkt aber bleibt völlig unberücksichtigt. Die außerordentliche Kündigung ist weiterhin möglich. Wirklich gewonnen ist mit den Änderungen in der Praxis gar nichts. Weiterhin steht dem Union Busting von Arbeitgeberseite Tür und Tor zum Missbrauch der außerordentlichen Kündigung zur Verhinderung der Betriebsratsgründung offen.

Union Busting wird verkannt

Es ist ganz offensichtlich, dass das Problem des Union Busting bei den Parteien des Bundestages wie auch bei den Gewerkschaften nicht wahrgenommen wird. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass der strafrechtliche Schutz der Betriebsräte ein reines Lippenbekenntnis des Gesetzgebers bleibt. Tatsächliche Verurteilungen bei Fällen von Betriebsratsbehinderung gibt es in der Praxis nicht.

Ein weiteres Problem, das in diesem Zusammenhang nicht angegangen worden ist, ist der mangelnde Schutz der Beschäftigten, die einen befristeten Arbeitsvertrag haben. Hier ist das Problem, dass diese zwar unter den Kündigungsschutz fallen, dieser aber regelmäßig leerläuft, weil der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag schlicht nicht verlängert. Praktisch gibt es dagegen keinen Schutz. Dies hat zur Folge, dass sich befristet Beschäftigte praktisch nicht aktiv an der Betriebsratsarbeit beteiligen können, und in der Folge in Betriebsratsgremien keine befristet beschäftigten Arbeitenden Mitglieder sind. Dies ist ein Demokratieproblem, weil sich befristet Beschäftigte eben nicht entsprechend kollektiv beteiligen bzw. nicht durch ihresgleichen vertreten lassen können.

Aber es gibt auch kleine Lichtblicke:

Der erste besteht darin, dass das vereinfachte Wahlverfahren nunmehr auf Betriebe mit einer Größe von bis zu 100 Arbeitnehmern ausgeweitet wird. Dies wird die Wahlvorstände kleinerer Betriebe wahrscheinlich vor Herausforderungen stellen, denn das vereinfachte Wahlverfahren ist nicht einfach. Gerade durch die verkürzten Fristen kann das Verfahren sehr anspruchsvoll werden. Für die Betriebsratsgründung allerdings erweist sich das vereinfachte Wahlverfahren zum Teil als günstiger, weil der Betriebsrat statt in 6-7 Wochen innerhalb von 2-3 Wochen begründet werden kann.

Ein Schmankerl ist die Ausweitung der Rechte des Betriebsrats nach § 96 BetrVG. In der Vorschrift geht es um den Bildungsbedarf und die berufliche Weiterbildung der Beschäftigten. Bislang konnte der Betriebsrat hier nur beraten und Vorschläge machen. Zukünftig soll hieraus das ein Mitbestimmungsrecht werden, so dass eine entsprechende Regelung auch gegen den Willen des Arbeitgebers durch die Einigungsstelle geschaffen werden kann. Es bleibt abzuwarten, wie dieses Mitbestimmungsrecht im Einzelnen durch die Betriebsräte genutzt und durch die Rechtsprechung ausgestaltet wird.